Über Kreativität

 

“Um kreativ zu sein, muss man auf Schmerz eine Antwort finden können!”

 

Vor beinahe 10 Jahren fiel mir eine Zeitschrift in die Hände mit einem überaus berührenden Zitat des berühmten Modeschöpfers Giorgio Armani. Er sagt:
„Vielleicht wollen wir eine Spur hinterlassen, weil wir wissen, dass das Leben viel zu kurz sein kann. Kreativität entsteht aus dem Wissen um Leid und Tod! Um kreativ zu sein, muss man auf Schmerz eine Antwort finden können.“

Auch heute noch und jedes Mal aufs Neue berühren mich diese Worte im Grunde meines Herzens, weil ich die Worte nicht nur lese, sondern weil ich sie in ihrem vollumfänglichen Ausmaß ertragen und gespürt habe. So oft sah ich mich bedrängt von Ängsten und Leid. Gleichzeitig trug ich mit mir innerliche Kämpfe aus, welchen Weg ich für mein Schaffen einschlagen sollte. Das „Schöne und Gute“, die Kunst, schien mir in der Welt zu unwichtig zu sein in Anbetracht der vielfältig schwerwiegenden Themen, welche die andere Seite der Waagschale füllen.

Doch bei all meinen gedanklichen Ausschweifungen, vergaß ich einen ganz entscheidenden Punkt: Die Kreativität ist eine Antwort auf Schmerz. Sie hält ihm stand, gebietet dem Leid Einhalt. Denn es erfordert so viel Mut, wie schon Matisse sagte, kreativ zu sein. Es bedeutet, den ausgetretenen Pfad zu verlassen und Neues zu wagen, auf unbekannten Wegen zu wandeln. Und gerade dieser Mut kann aus traumatischen und schmerzenden Erfahrungen entspringen. Wenn sich die Frage stellt „sein oder nicht sein“, dann können wir unsere Ängste über Bord werfen - was soll schon noch passieren?! Wir springen ins kalte Wasser und schwimmen uns frei, um neue Ufer zu entdecken.

„… und mag es uns auch ungerecht erscheinen“, schreibt Dr. Grandgeorge, „so sind doch unsere Probleme unser Weg“. Dabei haben wir zu jedem Zeitpunkt in unserem Leben die Wahl, was wir aus den Steinen, die uns scheinbar auf unserem Weg behindern, machen. Wir können uns darunter sprichwörtlich begraben und ganz klein werden. Oder aber wir nehmen jeden einzelnen Stein an, legen einen auf den anderen und kommen am Ende ganz oben am Gipfel zu stehen. Und wie wunderbar wird das sein, was wir dann sehen können.

 
 

„Der Sturm wird stärker. Macht nichts! Ich auch!“

 

Schaut euch all die faszinierenden Werke bekannter und weniger bekannter Künstler an. Sie ziehen uns in ihren Bann, fesseln uns. Denkt denn irgendjemand wirklich, dies geschähe grundlos, völlig willkürlich? Nein! Diese Werke erzählen von jedem einzelnen Sieg, den der Künstler im Kampf mit sich selbst und der Welt errungen hat. Sie tragen die Energie der Hoffnung und des Vertrauens, dass alles gut ist, mit sich in die Ewigkeit. Sie triumphieren über den Zweifel. Sie zeugen von dem unverbesserlichen Mut ein Apfelbäumchen zu Pflanzen, selbst wenn morgen die Welt unterginge.

Eines Tages gelangte ich an einen Ort in meinem Leben, an dem sich mein Weg nicht mehr in viel zu viele Abzweigungen aufgabelte, die mich alle verlockten. Endlich blickte ich in eine Richtung. Schmerz und Leid waren mir unerträglich geworden und meine Antwort war - der Trost der Schönheit. Die Schönheit, egal worin wir sie finden mögen, ist wie eine sonnenwarme Insel im rauen stürmischen Meer, die uns für einen Moment aus dem trüben, kalten Sog heraus nimmt. Die Schönheit ist wie die liebevolle Umarmung einer Mutter, die uns den Mut gibt, den Blick auf das zu richten, was gut und richtig ist, getan zu werden. Und ja, Schönheit vermag zu heilen. Sie legt sich wie ein schützender Mantel über all die Wunden, die wir im Inneren tragen, sodass die zerrissenen Teile, beschützt und verborgen vor jeglicher Gewalt, wieder eins werden können.

Mut haben. Antworten finden. Dem Schmerz mit Kreativität entgegentreten. Das sind wahrlich keine einfachen Aufgaben. Ich glaube, wir scheitern daran mit Leichtigkeit, wenn wir etwas ganz Entscheidendes dabei vergessen: das Vertrauen! Vertrauen zu haben bedeutet, mit dem Herzen das strahlende Licht zu sehen, während unsere Augen nur das Dunkel erblicken.

Mein Werk „confiance“ zeugt vom Ringen mit Licht und Schatten. Wie ist es möglich, vertrauensvoll nach vorne zu gehen, im Dunkeln stehend, den Weg nicht sehend? Noch ist alles kalt und klamm - doch spüre ich bereits, noch in der Finsternis die warmen und nährenden Sonnenstrahlen. Nach jeder Nacht folgt ein neuer Tag - Gesetz der Natur! Und jeder gewonnen Kampf gegen die Dunkelheit ist ein kleiner Stein, der mich wieder ein Stücken höher stehen und mich wachsen lässt. Er gibt mir Selbstvertrauen.

Oder, um es in den Worten von Astrid Lindgren zu sagen: „Der Sturm wird stärker. Macht nichts! Ich auch!“ (Pippi)

 
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